Dein Onkel wird bald heiraten. Schon komisch. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich ihm die Flasche gab. Jetzt geht er langsam auf die 30 zu und hat seine große Liebe seit Jahren gefunden.
Nachdem ich längere Zeit überlegt habe, was man ihm schenken kann, kam ich auf die Dinge, die noch zu hause habe: Deko-Sand, Muscheln, Steinchen. Ich werde ihm einen Strand basten. Und ein paar 5-Euro-Scheine sollen als Sonnenschirm oder Strandmuschel hübsch drapiert werden.
Das sieht nett aus und kostet nicht mehr als die Scheine, die verwendet werden.
Na ja, du weißt ja, dass wir immer sehr aufs Geld achten müssen.
Du hattest ja mal eine Flasche von uns bekommen, in der ein wenig Strand von der Ostsee ist. Außerdem haben wir ein Mini-Budelschiff dazu gepackt. Es war ein Geschenk an dich, weil du ja nicht mitkommen durftest. Die Chemotherapie hatte es nicht zugelassen.
Wir wollten dein Zimmer neu gestalten und die Flasche gut sichtbar platzieren.
Sie liegt im Schrank. Immernoch. Ich traue mich nicht, sie zu berühren. Es hängen so viele Selbstvorwürfe an der Erinnerung. Du wirst nie wieder sagen, dass es nicht so schlimm sei. Dein Trost war immer, dass du ja schließlich lebst. Ohne die Chemo wäre es nicht mehr so.

Worauf kann ich eigentlich als erstes hoffen? Darauf, dass ich mal einen Text an dich schreiben kann, ohne in Tränen auszubrechen? Oder drauf, dass ich damit leben kann, deine letzten Minuten nicht bei dir gewesen zu sein?
Ich sitze gerade im Büro und drücke meine Tränen weg. Mein Hals tut schon richtig weh. Ich kann nicht anders. Meine Worte müssen raus aus meinem Kopf, egal wo ich gerade bin oder was ich gerade tue.
Gleich rufe ich dann wieder Kunden zurück und bespreche mit ihnen ihren Beschwerdegrund – als wenn alles ganz normal wäre. Ich funktioniere irgendwie und hoffe, dass die Blutdrucktabletten gut wirken.